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Ephemera

03
Ja
18. März 1677. Grablege Admiral Michiel de Ruyter.
03.01.2025 23:19

Für heute habe ich mir vorgenommen mit dem Transkript aus Köhler´s Flottenkalender von 1935, über den holländischen Admiral de Ruyter, fortzufahren. Mit Fertigstellung kommt es hier herein. Jetzt ist es Abend und hier ist das lesenswerte Transkript.

Transkript aus Köhlers Flottenkalender 1936

Ab S.65 bis 75

                                                       Michiel de Ruyter

                                                                  A. von Czibulka

In dem Jahre, in dem das Grauen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) über Deutschland hereinbrach, begann die Seemannslaufbahn eines Mannes, der ohne Zweifel der größte Seeheld aller Zeiten war, dessen Größe keiner jener berühmten holländischen Kapitäne seiner Tage erreichte, und deren sich auch seine geistigen Nachfahren, Nelson, Faragut und Tegethoff nicht rühmen können.

Michiel Adriaanszoon de Ruyter war ein Knabe von elf Jahren, als ihn die Armut seiner Eltern und wie er später zu erzählen pflegte, wohl auch seine losen Streiche zur See trieben. Von seinem Großvater, mütterlicher Seite her, der unter Wilhelm von Oranien Reitersmann gewesen war, brauste Reiterblut in seinen Adern. Sein Vater diente, nachdem er lange Jahre als Matrose zur See gefahren, als Brauknecht in Vlissingen. Nachdem ihn die Reederei der Gebrüder Lampson, bei der er in Vlissingen gewesen war, wegen seiner dummen Streiche davongejagt hatte, betrat er, 11 Jahre alt, als Schiffsjunge zum ersten Mal ein Schiff. Mit 15 Jahren war der zukünftige Herzog und Leutnant-Admiral der Generalstaaten Matrose, kämpfte bald darauf im Landheer des Prinzen von Oranien gegen die Spanier, heuerte dann auf ein holländisches Kriegsschiff und trat hernachin die Reederei Lampson ein, die den jungen Matrosen, der sich nun schon einer Art Popularität und Berühmtheit erfreute, gerne von neuem in ihre Dienst nahm. Vierundzwanzigjährig wurde er Steuermann. Diente bei Fahrten ins Eismeer, die ihn bis Grönland führten, sah die Magallan-Länder und bewährte seinen beispiellosen Mut und sein sprichwörtliches Glück in einem furchtbaren Orkan vor Kap Horn. Später fuhr er als Kaperkapitän Vlissinger Handelsherren gegen Dünkirchener Kaperschiffe, eine Tätigkeit, die seinem gutmütigen, fast weichen Soldatenherzen wenig behagte. 22 Jahre war er zur See gefahren, als er Kapitän eines Kauffahrteischiffes der Gebrüder Lampson wurde, dass er nach Brasilien und in die westindische Inselwelt führte. Die Muße, die ihm sein Beruf als Handelskapitän ließ, der damals zugleich der eines Handelsagenten und Verkäufers war, benutzte sein reger Geist, der sich in eifrigem Selbststudium gebildet hatte, dazu, die gänzlich falschen Karten der überseeischen Gewässer zu berichtigen. So wies er nach, daß die karibischen Inseln in Wirklichkeit um 120 Seemeilen östlicher lagen, als die damaligen Seekarten sie verzeichneten.

Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob sein Name in dem Vierteljahrhundert, während dessen er zur See gefahren, bereits einen so guten Klang bekommen hatte, oder ob seine kartographische und nautische Tätigkeit die Ursache war, daß er schon in frühen Mannesjahren zum Schout-bij-nacht (Konteradmiral) in jener Flotte des Admirals Gysel ernannt wurde, die, als der Herzog von Braganza sich zum König von Portugal gemacht und diesen alten Seestaat von der spanischen Herrschaft befreit hatte, gegen Spanien auslief. Bei dieser ungliicklichen und von Mißgeschick verfolgten Unternehmung war es allein de Ruyter, der die holländische Flotte vor der Vernichtung bewahrte. In der Schlacht von St. Vincent war er der tapferste, beste unter jenen wenigen holländischen Kapitänen, die ihre Schuldigkeit taten. Überall, wo durch die Tapferkeit der Spanier oder die Feigheit der Mehrzahl der niederländischen Schiffsführer Unheil drohte, war sein Flaggschiff „der Hase“, zu sehen.

Zweimal mußte er, von der Übermacht zerschossen, schwer havariert aus der Linie scheren und sein Schiff nach einer Seite überlegen, um die Kugellöcher zu stopfen, die ihm der Feind unter seiner Wasserlinie beigebracht hatte. Mit dem Ende dieses Seezuges nahm Ruyter seine Entlassung aus dem Kriegsdienst und fuhr wieder als einfacher Handelskapitän nach Westindien, Nordamerika und ins Mittelmeer. In allerlei Affären - es ist die Zeit der Flibustier, der ,,lustige Roger“, die schwarze Flagge mit Totenkopf und Stundenglas, wehte unbekümmert über die westindische See, und die afrikanischen Küsten wimmelten von algerischen Korsaren, gab er Proben seines Mutes und seiner Klugheit. Als er einmal auf seinem Heimwege von Irland hörte, daß sein Kurs von Dünkirchner Kapern wimmele, war er es allein unter einer ansehnlichen Flotte von Kauffahrern, der trotzdem die Heimkehr wagte. Mit seinem kleinen Schiff von zehn Kanonen segelte er mitten hinein in die gefährdeten Gewässer. Nur eines hatte er getan: er hatte verdorbene Butter gekauft, mit der er Deck und Bordwände seines Schiffes bestreichen ließ. Als es dann beim Angriffe eines Dünkirchners zum Entern kam, glitten die Angreifer an den fettigen Bordplanken aus und wurden mühelos und blutig abgeschlagen.

Wieder bewährte sich in diesen zwölf Jahren, während deren er als Kapitän ungezählte Fahrten über die holländischen Handelswege unternahm, sein unerhörtes Glück, das ihn bis zu dem Tage nicht verließ, an dem ihn

seine Todeswunde erreichte. Dreimal in diesen zwölf Jahren ist sein Schiff das einzige, das einmal unter 26, ein anderes Mal unter 17 und ein drittes Mal unter 6 Schiffen dem Untergange in rasenden Stürmen entgeht. Als er von diesen abenteuervo1len Fahrten heimkehrt, ruft ihn sein Schicksal. Die Seekriege zwischen England und Holland begannen. Das kleine Holland - wenig mehr als eine Million Einwohner zählend - hatte sich zu einer Seemacht und zu einem Kolonialreich ersten Ranges aufgeschwungen. 35000 holIändische Kauffahrteischiffe

standen damals in Dienst! Glänzende Admirale führten in jenen Jahren, in denen Holland Seesiege erfocht, gegen die sogar Nelsons Schlachten blasser strahlen, die niederländischen Flotten. Der größte, glücklichste unter ihnen, ist Michiel de Ruyter. Als der große Admiral Tromp durch Sturm und Mißgeschick in den ersten Wochen des ersten Seekrieges gegen England unglücklich focht, die ungerechte Wut des Volkes sich gegen ihn wandte, ernannten die Generalstaaten, der Stimme des Landes folgend, Ruyter zum Befehlshaber eines Geschwaders von 36 Fahrzeugen, mit dem Auftrage einen Konvoi von 60 Kauffahrteischiffen durch den englischen Kanal zu führen. Klein und wenig seetüchtig, schwach bestückt und vernachlässigt waren damals im Gegensatze zu Hollands Handelsflotte seine Kriegsgeschwader, für die die Regierung in unbegreiflicher Verblendung bisher

nichts Nennenswertes getan hatte. So war es dem Willen und dem Geist dieses einen Mannes vorbehalten, nicht nur in glänzenden Schlachten zu schlagen, sondern mitten im Drange und den Sorgen höchster Not das Werkzeug zu seinen Siegen zu schmieden. In den ersten Tagen des August 1652 hißte er seine Flagge auf dem Neptun, einem Schiff von 28 Kanonen - die Engländer hatten allein unter 40 Fahrzeugen 14 Schiffe mit je 50 bis 60 Kanonen. Bei Plymouth, wo ihm die Briten den Weg verlegen, schlägt de Ruyter seine erste Schlacht. Um vier Uhr nachmittags am 26. August 1652 rennt er an der Spitze seiner Flotte, die er in drei Geschwader geteilt hatte, von denen ein jedes den dritten Teil der schwerfälligen Kauffahrer zu schützen hatte, in die englische

Flotte. Feige von vielen seiner Kapitäne verlassen – ein Schauspiel das sich bei fast allen Seeschlachten auf der einen oder andern Seite wiederholt - sah er sich bald mit sieben tapferen Schiffen mitten unter 40 hochbordigen, furchtbar bestückten Engländern. Die Stengen und Rahen brechen, seine Masten stürzen, zerfetzte Segel flattern, und bald ist der Neptun kaum mehr als ein Wrack. Aber de Ruyters beispielloser, unerhörter Mut, seine Kühnheit und Manövrierkunst und das Geschick und der Opfermut der wenigen brav gebliebenen holländischen Kapitäne wenden das Schlachtenglück, und bei einbrechender Dunkelheit lösen sich die britischen Geschwader von den holländischen Schiffen, unverfolgt von dem zusammengeschossenen schwer havarierten Feind. Die dreiunddreißig Schlachten, die Ruyter als Geschwaderführer unter berühmten Admirälen und Kapitänen, oder als Oberbefehlshaber geschlagen, in denen seine Flagge stets über dem wildesten Getümmel wehte, immer bedroht, niemals entscheidend besiegt, zu erzählen, hieße die Geschichte jener gewaltigen Seekriege schreiben, die von 1652 bis zum Frieden von Nymwegen ein Vierteljahrhundert lang - in allen europäischen Meeren tobten. Nur seine größten Kämpfe, vor allem die viertägige Seeschlacht von Nordforeland können hier in großen Zügen geschildert werden.

Wenige Wochen nach dem für Holland unglücklichen Waffengang am 13. Juni 1665, in dem der tollkühne Admiral Wassenaar mit seinem Admiralschiff in die Luft geflogen war, und nach welchem Unglück der große holländische Staatsmann, der Ratspensionär de Witt, in acht Wochen eine Flotte von 94 Schiffen beinahe wie durch Zauber geschaffen hatte, ging die Kunde durchs Land, daß de Ruyter mit seinem kleinen Geschwader und fünf erbeuteten Engländern von Guinea kommend, und mitten durch die siegreiche englische Flotte segelnd, in schwerem Nordweststurm bei Delfzyl ohne Seezeichen und Lotsen in die Ems eingelaufen sei. Noch am gleichen Tage, an dem sich in hunderten von Booten neugierig das Volk um das Flaggschiff de Ruyters drängte, ernannten ihn die Generalstaaten zum Admiral über die neue Flotte, die unter dem jüngeren Tromp bereits in See gegangen war. Wenige Tage später stieß er zu den Geschwadern und übernahm am 18. August 1665 den Oberbefehl. Seine Aufgabe war, mit der aus 94 Kriegsschiffen, 12 Brandern und einigen Avisos bestehenden Macht, die Engländer aufzusuchen, die, nachdem sie die heransegelnde holländisch-ostindische Kauffahrteiflotte gezwungen hatten, in Bergen Zuflucht zu suchen, sich am Rückmarsch nach England befanden. Da die britischen Geschwader ihm für diesmal entkamen, ein schwerer Orkan seine Flotte und den aus Bergen befreiten Konvoi zersprengte und schwer havarierte, überdies eine Seuche auf der Flotte ausgebrochen war, kam es in diesem Jahre zu keinem nennenswerten Kampfe und de Ruyter fuhr, nachdem er noch als Erster Flottenmanöver mit Gegenseitigkeit ausgeführt, Geist und Disziplin der Besatzungen in unbarmherziger Arbeit gehoben hatte, in die Heimat zurück. Den Winter über wurde unter seiner Aufsicht eifrig an der Vervollkommnung und dem Ausbau der Flotte gearbeitet, so daß im April des folgenden Jahres 1666 eine Schiffsmacht von 130 Seglern in Dienst ge-

stellt werden konnte, wovon 70 Kriegsschiffe 40 bis 80 Kanonen führten. Zwölf Linienschiffe lagen überdies noch halb fertig auf den Werften. Die Besatzung zählte 22000 Mann. Während April und Mai sammelten sich die Geschwader hinter der Insel Texel, am Eingang des Zuidersees, und am 10. Juni 1666 segelte die Flotte, geführt von de Ruyters Flaggschiff „Die Sieben Provinzen“, einem Linienschiff von 80 Kanonen, Kurs nach der englischen Küste. Als die Felsen von England aus der weißen Gischt der schweren See aufstiegen, versammelte Ruyter die Admiräle van Nees, Cornelius Tromp, de Vries, Evertzen und die Führer der Divisionen an Bord der ,,Sieben Provinzen“, um ihnen die letzten Befehle zu geben und Ermahnungen an sie zu richten. Damals war es, daß de Ruyter jene Worte sprach, die ein viertel Jahrtausend später der japanische Admiral Togo als letztes Signal vor dem Beginn der Schlacht von Tsuschima zeigte: „Das Schicksal des Reiches hängt an dem Ausgange der bevorstehenden Schlacht!“ Am Morgen des 11. Juni 1666 ging das Geschwader in einem steifen Südwest am Eingange des Kanals vor Anker. Bald darauf signalisierten die unter Sturmsegeln heranfliegenden Avisos die englische Flotte. Ihre Zahl war der der Holländer fast gleich. Aber ihre Schiffe waren um vieles mächtiger und stärker bestückt. Signale flattern von den Toppen der ,,Sieben Provinzen“, die Holländer gehen in der schweren, hohen See unter Segel, die Ankertaue werden gekappt und in geschlossener Ordnung kreuzt die Flotte, schwer gegen den Sturm ankämpfend, den Engländern entgegen. Um 1 Uhr Mittag fällt der erste Kanonenschuß dieser viertägigen Riesenschlacht und wenige Augenblicke später brüllt der Donner von fast 10 000 Geschützen über die tobende See. In dem schweren Sturme rollen die britischen Linienschiffe so stark, daß die unteren Kanonen kaum zum Feuern kommen. Nach dreistündigem Kampfe bohrt eine Breitseite der ,,Sieben Provinzen“ einen vorbeisegelnden großen Engländer in den Grund. Am späten Nachmittage, als die Engländer eben gegen Nordwesten wenden, um von den flämischen Sandbänken abzuhalten, werden drei ihrer Linienschiffe von der holländischen Nachhut geentert. Aber auch die Admirale Tromp und van Nees müssen ihre wracken, manövrier-unfähigen Schiffe verlassen und ihre Flagge auf andern Fahrzeugen setzen. Zwei holländische Schiffe gehen in Flammen auf. Noch bei einbrechender Nacht versenken die ,,Sieben Provinzen“ ein großes englisches Schiff von 70 Kanonen, das auf Pistolenschußweite vor ihnen passiert, während ein anderes, größeres, das Flaggschiff eines

englischen Geschwaderführers, zugleich mit mehreren andern von de Ruyters Schiff und drei Brandern bedrängt, mit knapper Not im Schutze der Dunkelheit entkommt Der letzte Schuß, den die Engländer den verfolgenden Holländern entgegensenden, tötet den hoIländischen Admiral Evertzen. In der hereinbrechenden Nacht schweigt das Feuer der Geschütze die riesenhaften Fackeln brennender Schiffe leuchten über die noch leise dünende See.

Kaum 50 Schiffe von den 81, mit denen die Engländer die Holländerzur Schlacht gestellt hatten, nehmen am frühen Vormittage den Kampf mit Ruyter wieder auf, der 20 seiner am schwersten beschädigten Schiffe in die Heimat schicken mußte. Über die nun ruhige See gleiten die beiden Flotten auf kaum eine Kabellänge aneinander vorüber. Der Eisenhagel der Breitseiten, die feurigen Bogen der glühenden Kugeln heulen über das Meer. Das Splittern der Bordwände, das Stürzen der Masten übertönt das Brüllen der Schlacht. Die Kettenkugeln fegen über die Decks. Endlich, nach stundenlangem Kanonieren, gelingt es Ruyters Manövrierkunst und der Schulung seines Geschwaders den Engländern den Wind abzugewinnen und an sie heranzukommen. Die Entermannschaften treten an, das Flaggensignal, das denBefehl zum Entern geben soll, liegt bereit, da sieht de Ruyter, wie sich weit hinter der englischen Linie das Flaggschiff Admiral Tromps mit sechs anderen Schiffen, denen die rote Glut aus den Stückpforten bricht, sich gegen das ganze englische Mittelgeschwader wehrt. Wieder rächt sich Tromps unerhörter, doch wenig besonnener Mut. Der Wind ist umgesprungen, und wie ein Reiterangriff über weite Heiden, brausen die ,,Sieben Provinzen“, gefolgt von einem Teil des niederländischen Zentrums, gegen die englischen Schiffe. Die ungestüme Wucht des Ansturms, die Vernichtung, die die holländischen Breitseiten den Engländern entgegenschleudern, öffnen de Ruyter eine Gasse, durch die er, aus allen Kanonen feuernd, seine Schar mit unheimlicher Wucht mitten durch die englische Flotte führt und dem verzweifelt kämpfenden Tromp und seinen zerschossenen, sinkenden Schiffen, den Weg nach der Heimat freimacht. Vergebens rufen die Signale des englischen Oberbefehlshabers Admiral Monk, alle Schiffe zum Kampfe gegen die kleine verwegene Gruppe der Holländer, vergebens fallen die riesenhaften, hochbordigen Linienschiffe der Engländer über de Ruyter her. Er bleibt Herr der Schlacht und wahrt sich das Gesetz. Mitten im wütendsten Kampfe wendet er plötzlich dem Gros seiner Flotte entgegen, um mit ihm vereint von neuem den Feind anzugreifen Als der Abend sich über die Walstatt senkt, sind sieben Engländer mit wehender Flagge gesunken, aber kein einziger Holländer. Da gellt plötzlich wildes Jubelgeschrei der Engländer aus dem Brüllen der Schlacht: Ruyters Flagge ist niedergeholt!  Langsam scheren die ,,Sieben Provinzen“ aus der holländischen Linie. Aber schon nach wenigen Minuten steigt die niederländische Admiralsflagge auf dem Flaggschiff van Nees’, der die Flotte zum vierten Male gegen die Engländer führt. Die ,,Sieben Provinzen“, die schwer havariert die Linie verlassen mußten und deren Großstenge mit de Ruyters Flagge auf Deck gestürzt ist, bessern ihre Schäden aus, während Ruyter seine Flagge dem Admiral van Nees mit dem Befehle iibersendet, sie auf seinem Schiffe zu hissen und bis zur Instandsetzung der ,,Sieben Provinzen“ den Oberbefehl zu führen. Zweimal führt van Nees die holländische Flotte an den Briten vorbei; als er zum dritten Male auf Gegenkurs geht, fliehen die Engländer, nur noch 38 Segel stark, denen die 59 holländischen vorerst an der Klinge bleiben. Der britische Oberbefehlshaber Monk mochte auf jenes Geschwader von 25 Linienschiffen hoffen, dass er der damals mit Holland verbündeten französischen Flotte entgegengesandt hatte. So zieht er sich in der Nacht in voller Ordnung gegen die Themsemündung; nur langsam von den Holländern verfolgt, denen eine plötzlich einsetzende Flaute den Wind aus den Segeln nahm. Als am nächsten Morgen der Pfingsttag des Jahres 1666 aus kaum bewegter See steigt, und der Wind raumt, kommen die Holländer langsam der englischen Flotte auf, die noch immer Kurs gegen die Themse hält. Der Vormittag und die ersten Nachmittagsstunden vergehen ohne Kampf. Drüben am Horizont die weichenden Engländer, denen die raschen Fregatten und Avisos der Holländer dicht auf, wenn auch außer Kanonenschußweite, folgen, hier die langsam gegen Süden gleitenden Segel der holländischen Linienschiffe. Da weht plötzlich ein Signal vom Topp des englischen Admiralschiffes und langsam wendet die britische Flotte gegen Westen. Wie ein Flug weißer Vögel steigen die Segel jenes britischen Geschwaders über die Kimm, dass nun, da es die Franzosen vergeblich gesucht, dem englischen Gros zu Hilfe eilt. Sogleich laßt Ruyter eine Abteilung seiner Flotte Kurs gegen den neuen Feind nehmen, um seine Vereinigung mit der britischen Hauptmacht zu vereiteln. Es ist vergebens, nur langsam treibt die schwache Brise das holländische Geschwader gegen Südwest und am Abend vereinigen sich vor den Augen und fast auf Schußweite der Holländer die neuen, noch durch keinen Kampf geschwächten großen Linienschiffe mit der englischen Flotte, die nun wieder 63 Schiffe zählt. Als das Signal des englischen Admirals das Wenden der Flotte befohlen hatte, war das größte und schönste Schiff der Engländer „Prince Royal“, mit seinen 92 Kanonen und 625 Mann, ein wahrer Dreadnought seiner Tage, auf ein Riff aufgefahren. Verzweifelt rufen seine Flaggen die englischen Schiffe, die noch immer dem heransegelnden Entsatze entgegenfliehen, um Hilfe. Die Gefährten sehen sie nicht oder, noch ist es nicht Nelsons Flotte, wollen sie nicht sehen. Schon gleiten die ersten holländischen Brander heran, um das todgeweihte Schiff zu vernichten, da streicht der Admiral Ascue, das Nutzlose jeder Gegenwehr verstehend und dennoch in unbegreiflichem Entschlusse, die Flagge. Während er seinen Degen an de Ruyter übergibt, schlägt das Feuer, das die holländischen Brander gelegt, aus den Stückpforten des flaggenlosen Schiffes, und wenige Augenblicke später fliegt mit einem donnernden Schlag in einer berghohen Feuersäule der „Prince Royal“ in die Wolken. Um die gleiche Zeit lodern Flammen in der Nachhut der Briten: Monk hat zwei seiner sinkenden Schiffe, die er mit sich geschleppt, vernichtet. Wieder bricht die Nacht herein; die Engländer haben an diesem Tage ohne Schuß drei Schiffe verloren, und als der vierte Morgen dieser Schlacht die Gegner von neuem einander entgegenführt stehen 60 englische gegen 59 holländische Schiffe. Zwischen den flämischen Bänken und der Landzunge von Nordforeland geht das furchtbare Spiel zu Ende. Mit drei Geschwadern bricht Ruyter um die neunte Morgenstunde durch die englische Schlachtfront, Einzelgefechte da und dort. Die Rahen feindlicher Schiffe berühren einander, so daß die Kanoniere, wie 200 Jahre päter bei Lissa, die Setzer nicht handhaben können. So nahe kämpfen die Schiffe. Zweimal noch stürmt Ruyter durch die englischen Linien. Beim dritten Male schießen Flammen aus dreien seiner Schiffe. Zwei vermögen zu löschen, das dritte fliegt in die Luft. Bis zum Abend ist nirgends ein Vorteil, und nirgends der Sieg. Aber de Ruyter will die Entscheidung, denn ein fünfter Tag dieses Grauens erscheint ihm unmöglich. Wieder wehen die Signale von Schiff zu Schiff. Mit seinem eisernen Willen wirft er noch einmal seine ganze Flotte gegen den Feind. Wieder donnern die vielen tausend Geschütze in den zu Ende gehenden Tag. In Grund geschossene Engländer versinken ins Meer. Mit tosendem Krachen rennt die holländische Flotte Bord an Bord an die englischen Linienfchiffe. Ein Signal klettert über die Flaggleinen der „Sieben Provinzen“, Musketen hämmern in das dröhnende Singen der Stücke, die Enterbrücken fliegen gegen den Feind, und wie über die Wälle einer sturmreifen Festung, ergießen sich die holländischen Entermannschaften über die Bordwände der britischen Schiffe. Da befiehlt Monk den Rückzug. Erst lösen sich die Briten in geschlossener Ordnung vom Feind; doch dann fliehen sie, zerschlagen, in panischen Schrecken. Die Dunkelheit und der plötzlich einfallende Nebel machen der holländischen Jagd ein Ende und zugleich dieser Schlacht, in der die Engländer 23 Schiffe verloren, gegen vier, die die Holländer ließen. Mit sechs Prisen und 3000 Gefangenen kehrt Ruyter am 14. Juni 1666 in die Heimat zurück.

Im Sommer des folgenden Jahres 1667 vollführte er jenen unerhört kühnen Einbruch in die Themse, bei dem er mit seiner ganzen Flotte durch die schmale, durch versenkte Schiffe noch verengte Fahrrinne an den Landbatterien vorbei, die Themse hinauf, bis zu dem befestigten Chatham segelte, acht große Linienschiffe und zwölf Fregatten vernichtete und die Landbatterien erstürmte. Dann ging er wieder zur Mündung zurück, ankerte dort und blockierte mit drei anderen Geschwadern die englischen Küsten. Überall, wohin die holländischen Schiffe jener Tage kamen, flohen die Bewohner in panischem Schrecken und fanden dennoch, nach dem Abzuge der Holländer heimgekehrt, niemals irgendwelche Spuren einer Plünderung oder eines Raubes. An der Themsemündung überbrachte ihm am 8. August 1667 ein englisches Parlamentärboot die Nachricht vom Abschluß des Friedens.

Nach vier Jahren des Friedens, die de Ruyter in stiller Zurückgezogenheit im Kreise seiner Familie verbrachte, nach jenen Jahren, die den Niederländern eine kurze Zeit märchenhafter Blüte brachten, während deren die Flagge, die in unerhörten Schlachten geflattert hatte, nun von den Masten vieler tausend friedlicher Kauffahrteischiffe über alle Meere wehte, rief ihn das Schicksal Hollands in den ersten Tagen des Jahres 1772 zum andern Male aus seinen stillen Kreisen. Das war, als Ludwig XIV. mitten im Frieden Holland mit 200000 Mann französischer Soldateska überfiel und die Engländer ohne Kriegserklärung eine holländische Kauffahrteiflotte von 72 Schiffen bei der Insel Wight zu nehmen versucht hatten. Zwischen Wielingen und der Maas erwartete de Ruyter die alliierte Flotte der Briten und Franzosen. Wohl zeigen sich die Segel der Feinde am Horizonte, ziehen sich aber langsam wieder gegen Westen. Da kreuzt de Ruyter gegen Südwesten auf, bis in Sicht der englischen Küste. In der Solesbai kommt es am 7. Juni 1772 zur Schlacht, bei der die Holländer die alliierte Flotte vor Anker finden. Wie alle Waffengänge, die Holland dieses Jahr auf dem Meere zu bestehen hatte, endet sie siegreich für de Ruyter.

In seinem 68. Lebensjahr sandten die Generalstaaten de Ruyter auf seine letzte Fahrt, um gemeinsam mit Spanien die französische Flotte unter ihrem berühmten Admiral Duquesne im Mittelmeere anzugreifen und Messina zu nehmen, das sich gegen die spanische Herrschaft erhoben hatte. Mit dunklen Ahnungen hatte de Ruyter Abschied von den Seinen genommen und zu seinem Schwiegersohne geäußert, daß er wohl wisse, daß er diesmal nicht wiederkehren werde. Auch hatte er Einspruch gegen die Absicht der Generalstaaten erhoben, ihm nur 18 Schiffe zu diesem Seezuge mitzugeben der ihn gegen die von Colbert geschaffene, damals so tüchtige französische Flotte führen sollte. Als seine Einwendungen und Warnungen fruchtlos geblieben waren, gehorchte er mit den Worten: „Ich fange nicht an, den Mut sinken zu lassen. Aber ich wundere mich, daß den Herren die Flagge des Landes so wohlfeil ist. Doch wo die Herren Staaten ihre Flagge wagen, dort wage ich auch mein Leben“.

Am 16. August 1675 setzte er seine Flagge auf der „Eintracht“. Am 29. April 1676 stirbt er an Bord dieses Schiffes an der französischen Kugel, die ihm acht Tage vorher in der unentschiedenen Schlacht vor dem Aetna während des Duells der beiden Admiralschiffe beide Beine zerschmettert hatte. Wenige Tage, nachdem sein glanzvolles Leben äußerlich durch die Verleihung des spanischen Herzogtitels gekrönt worden war. Eine düstere Leichenfeier von grauenvoller Schönheit wurde ihm zuteil, noch ehe alle Glocken Hollands ihm das Grabgeläute sangen. Einen Monat nach der Schlacht vor dem Aetna griff die französische Flotte mit Brandern die im Hafen von Palermo ankernde spanisch-holländische Flotte an und steckte deren größten Teil in Brand; das Feuer griff auf die auf der Innenreede liegenden Handelsschiffe über und in wenigen Augenblicken waren Stadt und Hafen von Palermo ein ungeheures Flammenmeer, aus dem die Stichflammen der auffliegenden Pulverkammern wie riesenhafte Totenfackeln rings um die heilgebliebene „Eintracht“ aufloderten, auf der, einbalsamiert, de Ruyters Leiche ruhte. Dreiviertel Jahre später geleitete der Rest der Flotte ihren toten Admiral in die Heimat, vorbei an den Küsten Frankreichs, von denen beim Vorüberziehen der „Eintracht“ der Ehrensalut fiir den großen Gegner donnerte. Sein Herz ruht auf einer kleinen, namenlosen Insel in der Bai von Syrakus.

Transkriptende. Buchrettung

Spaziergang bei Sturm.
1.Dezember 1936

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